Agenturen sind gefordert, smarte (Geschäfts-)Modelle zu entwickeln, die ihr strategisches Können auf Marktniveau positionieren und vor allem ihren USP nicht verwässern. Denn für alle Zukunftsfelder wird genau das dringend gebraucht: Kommunikationskompetenz, Stakeholder-Verständnis, Kreativität, Storytelling und Engagement.

Das Streitgespräch zwischen Uwe Kohrs, Magdalena Rogl, Thomas Strerath und Jürgen Scharrer, veröffentlicht auf HORIZONT.net am 21.09.2020, belebt einen spannenden und wichtigen Diskurs rund um Strategieberatung, Branchenstandards und Zukunftsfelder. Den Faden nehme ich gerne auf. Meine Antwort:

Ja, die können das!

Für einen Seniortag von McKinsey & Company werden ca. 3.500 Euro bezahlt. Kommunikationsberatungen erzielen für einen Senior ca. 1.200 Euro am Tag. Dies lässt den Schluss zu, dass der Wert strategischer Kommunikationsberatung weniger geschätzt wird als zum Beispiel der Wert strategischer Beratung in Bereichen wie Prozessoptimierung, Einkauf und Pricing. Aber es lässt definitiv nicht das Fazit zu, Agenturen könnten nicht strategisch beraten.

Strategische Beratung gehört seit Jahrzehnten zur DNA von Agenturen: in Krisenfällen, bei der Entwicklung der Markenstory, beim Stakeholder-Mapping zum Markteintritt, beim Issue-Management der globalen Lieferkette, bei der digitalen Analyse der Customer Journey. Die Beispiele sind unzählig, die Beratung der Experten kontinuierlich gefragt. Und der Bedarf steigt: In einer digital beschleunigten Welt wird der kommunikativen Einschätzung von Geschäftsentscheidungen und der strategischen Handlungsempfehlung immer mehr Beachtung geschenkt – auch und gerade auf Vorstandsetagen. Seit Jahren beweisen erfahrene und geschätzte Kolleg:innen, dass professionelle Strategieberatung zur Kern-DNA von Agenturen gehört.

„Agenturen gelingt es allerdings nur selten, ihre Preisstellung auch nur in der Nähe von Unternehmensberatungen zu positionieren.“

Es gibt kaum eine Agentur, die nicht eine (globale) Projektgruppe an den Start gebracht hat, um in der eigenen Wertschöpfungskette die Stellknöpfe zu identifizieren, mit deren Hilfe sich die Monetarisierung der Leistungen optimieren ließe. Ideen und Konzepte füllen vermutlich Gigabyte-Speicher. Doch nun läuft die Zeit davon. Denn mit rasanter Geschwindigkeit vergrößert sich das Handlungsfeld, in dem Agenturen und Unternehmensberatungen in Wettbewerb treten: Change, Digitale Transformation, New Work, Purpose, Diversity & Inclusion, Employer Branding – um nur einige Themen zu nennen. Man nähert sich dem Spielfeld von jeweils unterschiedlichen Seiten und mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen. Aber abzusehen ist, dass nicht friedliche Koexistenz, sondern konsequenter Verdrängungswettbewerb dominieren wird.

Bieten Agenturen die schlechtere Beratungsleistung, weil sie direkt auch an mögliche Exekutionsbudgets denken? – Nein! Es wäre ein Irrglaube davon auszugehen, Unternehmensberatungen wollten einzig und allein strategisch beraten. Mit allein fünfzig Beratungsstunden pro Kunde sind die Partner wohl selten zufrieden. Ziel ist es, globale Projektteams, standardisierte Benchmarks und bewährte Prozessabläufe auf Kundenseite zu lancieren. Beide Marktpartner haben Interesse, weitere Gewerke schmackhaft zu machen. Da leuchtet ein Stern nicht heller als der andere.

Auch muss und darf Beratung nicht per se ergebnisoffen sein. Wenn in einer Krisensituation beraten wird, sollte dies auf keinen Fall ergebnisoffen geschehen. Eine strategische und verlässliche Situationsanalyse und klare Handlungsempfehlungen werden benötigt. Und das gilt bei Weitem nicht nur für Krisen- und Issue-Management. Dass die Qualität strategischer Beratung sich nicht abhängig machen darf vom Potenzial eines Folgeprojektes – das steht doch wohl außer Frage.

26% der Befragten halten Kommunikationsagenturen für nicht vertrauenswürdig – diese Werte sind in der Tat ernüchternd. Verbindliche Beratungsstandards können eine gute Antwort sein, die generell zu unterstützen wäre. Denn natürlich ist Beratung nicht gleichzusetzen mit „eine Meinung“ haben. Genauso wenig wie Theorie und Praxis verwechselt werden sollten. Branchenstandards allein werden den Wettbewerb aber nicht entscheiden. Sie helfen allerdings dabei, die Spreu noch besser vom Weizen zu trennen.

Der Einkauf von Beratungshäusern in den Kommunikations- und Kreativmarkt hat schon vor Jahren begonnen. Und deren Brieftaschen sind in der Regel besser gefüllt als andersherum. Ob es gelingen wird, die Potenziale kulturell zu heben, das steht auf einem anderen Blatt.

Der Vertrauensvorschuss von Vorstandsetagen ist hoch, der Einkauf von Strategiekompetenz gelernt. Anders als im Kommunikationsbereich. Dort ist die Vorstandsetage eher verwundert, wenn die PO für Strategieberatung freigegeben werden soll, ganz im Sinne: Kann das Inhouse-Team das nicht selbst? Ganz anders als im angelsächsischen Bereich, wo das gang und gäbe ist. Aber Herausforderungen gibt es ja immer. Agenturen sind gefordert, smarte (Geschäfts-)Modelle zu entwickeln, die ihr strategisches Können auf Marktniveau positionieren und vor allem ihren USP nicht verwässern. Denn für alle Zukunftsfelder wird genau das dringend gebraucht: Kommunikationskompetenz, Stakeholder-Verständnis, Kreativität, Storytelling und Engagement.